Welcher Bohrer ist der Richtige? Unser Bohrer-Ratgeber

Stumpfe Bohrer und ausgefranste Bohrlöcher sind nicht selten die Folge einer ungeeigneten Bohrerauswahl. Auch wenn sich viele Bohrer (wie z. B. Spiralbohrer) optisch ähneln, sind sie nicht einfach austauschbar. Ihre Funktionsweise kann komplett unterschiedlich sein. Weitere Unterschiede bestehen in Material, Schliff, Schaft und Drall. Zu wissen, welcher Bohrer sich wann am besten eignet, ist daher nicht zuletzt wichtig, um qualitativ hochwertig und rentabel arbeiten zu können. In Teil 1 unserer Serie rund ums Bohren stellen wir die gebräuchlichsten Bohrer-Typen und deren Einsatzgebiete vor.




1. Was sind HSS-Bohrer?


In der täglichen Handwerkerpraxis kommen die klassischen HSS-Bohrer nach DIN 338 (High Speed Steel) in vielen unterschiedlichen Qualitäten zum Einsatz. Die Bohrer aus Schnellarbeitsstahl zeichnen sich durch eine hohe Verschleißbeständigkeit, Anlassbeständigkeit und Warmhärte aus. So sind sie nicht nur den Belastungen des Arbeitsalltags gewachsen, sondern garantieren exakteres Arbeiten und langfristig Kosteneinsparungen.

Gebräuchliche HSS-Bohrer und Ihre Anwendungsbereiche

HSS-RRollgewalzter Spiralbohrer

Rollgewalzte Bohrer

WerkstoffeStahl, Stahlguss, Grauguss, Temperguss, Sintereisen, Graphit, Bronze, Messing, Aluminium
Anwendungsfelder:Für konventionelle Bohrarbeiten, für den Einsatz in Handbohrmaschinen und im Bohrständer
Vorteile:Erhöhte Bruchsicherheit, gute Spanabfuhr

HSS-GGeschliffene Bohrspitze

Geschliffene Bohrspitze

Werkstoffe:Stahl, Stahlguss, Grauguss, Temperguss, Sintereisen, Graphit, Bronze, Messing, Aluminium
Anwendungsfelder:Für den Einsatz in Säulenbohrmaschinen und in Dreh- und Fräsmaschinen
Vorteile: Selbstzentrierend, gute Standzeit & Spanabfuhr, höhere Genauigkeit als HSS-R

HSS-EKobaltlegierung

Kobaltlegierte Bohrer

Werkstoffe:Materialen mit hoher Festigkeit wie Edelstahl
Anwendungsfelder:
Vorteile: Höhere Härte, gute Standzeit, sehr gute Hitzebeständigkeit

HSS-CoKobaltlegierung

Maschinengewindebohrer

Werkstoffe:Besonders zähe und harte Werkstoffe wie legierter und hochfester Stahl, Edelstahl
Anwendungsfelder:
Vorteile: Selbstzentrierend, sehr gute Standzeit, gute Spanabfuhr & Hitzebeständigkeit

HSS-TiNTitanbeschichtung

Titanbeschichtung

Werkstoffe:Stahl, NE-Metalle
Anwendungsfelder:Ideal für den Einsatz in Akku-Geräten
Vorteile: Selbstzentrierend, hohe Rundlaufgenauigkeit, gute Standzeit & Spanabfuhr

2. Welche Kriterien sollten bei der Auswahl beachtet werden?

Ob ein Bohrer beschichtet ist oder nicht, sagt etwas über seine Qualität aus. Hochwertigere Bohrer sind beschichtet, ihre Spitzen oft farblich abgesetzt. Solche Beschichtungen (z. B. aus Titan) können die Standzeit der Bohrer um einiges erhöhen. Gleichzeitig sind sie für hochharte Materialien geeignet, denen Standard-HSS-Bohrer nicht mehr gewachsen sind.


3. Welcher Bohrer für welches Material?

Titan und Edelstahl für höhere Zugfestigkeiten

Titanlegierte Bohrer oder Bohrer aus Edelstahl bieten darüber hinaus wesentlich höhere Zugfestigkeiten und müssen sehr viel seltener nachgeschliffen werden. Für häufige Bohrungen sind sie absolut empfehlenswert. Ihr höherer Preis, der aus den hochwertigeren Materialien resultiert, rentiert sich auf jeden Fall in puncto Effizienz und Langlebigkeit.

Diamantbohrer für besonders hohe Ansprüche

Auch HSS-Bohrer geraten irgendwann an ihre Leistungsgrenzen. Für professionelle Bohrungen vor allem in hochharte Materialien (z. B. Metalle) oder Bohrlöcher mit größeren Durchmessern (wie z. B. für Steckdosen) sind besonders leistungsstarke Bohrwerkzeuge gefragt. Hier empfehlen sich Diamantbohrer und Diamantbohrkronen, mit denen hohe Schnittgeschwindigkeiten und effiziente Bohrungen realisiert werden können. Ob Trocken oder Nassbohrung: Für beide Methoden gibt es passende Diamantbohrer.

Die leistungsstarken Vollhartmetallbohrer (VHM)

Steigende Anforderungen an Verschleiß- und Standfestigkeiten führen dazu, dass Vollhartmetallbohrer vor allem für den industriellen Einsatz im Gegensatz zu HSS-Bohrern immer interessanter werden. Höhere Schnittgeschwindigkeiten und eine sehr gute Positioniergenauigkeit sind nur zwei gute Argumente, die für die leistungsstarken VHM-Bohrer sprechen. Besonders interessant sind sie für die Bearbeitung von abrasiven Werkstoffen ( z. B. Gusseisen), Aluminiumlegierungen, glasfaserverstärkten Werkstoffen und Graphit. In ihrer Form sind die VHM-Bohrer den HSS-Bohrern ähnlich.

4. Welche Bohrer-Formen gibt es?






Spiralbohrer

4.1 Spiralbohrer

Ein Unbekannter ist der lange, runde Spiralbohrer nicht, ganz im Gegenteil: Es gibt ihn in zahlreichen Ausführungen. Je nach Konzeption und Schneidengeometrie ist er für unterschiedliche Werkstoffe geeignet.

Unter den Bohrern sind die spiralförmigen Stahlbohrer mit Bohrschaft, spanabführenden Nuten und Bohrspitze das klassische Bohrwerkzeug für Akkuschrauber, Schlagbohrmaschinen und Bohrhämmer.


Spiralbohrer unterscheiden sich nicht nur im Material voneinander, auch die Form ihrer Schneiden (Schneidengeometrie) kann verschieden sein. Diese ist entscheidend für den Einsatzzweck des Bohrers. So gibt es Spiralbohrer mit mehr oder weniger Spanwinkel bzw. Spiralwinkel (auch Drall genannt).


Standardbohrer für mittelharte Werkstoffe sind mit dem Buchstaben „N“ gekennzeichnet. Sie sind nicht für Bohrungen in hochharte Materialien geeignet. Auch bei weichen Materialien ist der Standardbohrer nicht ideal, weil der Bohrer das Material ausreißen kann.

Bohrer, die auch harte Werkstoffe bewältigen, sind optisch an ihren Spiralformen mit kleinerem Drall erkennbar. Sie tragen die Bezeichnung „H“ und erzeugen kurze Späne.

Weiche Werkstoffe wie Leichtmetalle sollte man hingegen mit einem Bohrer „Typ W“ bearbeiten. Dieser Bohrertyp hat einen größeren Spanwinkel und Späne können gut abfließen.


HSS-BohrerKennzeichenAnwendung
Typ NNormalspiraleBaustähle, NE-Metalle, Gusseisen
Typ HLanggezogene SpiraleKurzspanende, spröde, zähharte oder sehr harte Werkstoffe wie Stahl, Hartkunsstoff, Schichtpressstoffe, Plexiglas
Typ WKurze SpiraleLangspanende, weiche Werkstoffe wie Leichtmetalle, Kunststoffe, Hartholz, Spanblatte




HolzbohrerSchlangenbohrerForstnerbohrerKunstbohrer

4.2 Holzbohrer

Die folgende Auswahl an Bohrern eignet sich speziell für die Bearbeitung von Holz. Je nach Anwendungsgebiet und Grundnutzen kann eines der folgenden Modelle gewählt werden.


Der Holzbohrer ist aufgrund der langen Zentrierspitze und zwei Vorschneiden optimal für Bohrungen in Holz geeignet – vor allem dann, wenn viele Bohrungen geplant sind.


In Tischlereien kommt der Holzbohrer oft als Schlangenbohrer vor. Dieser hat keinen Spitzwinkel, schlankere Schneiden und eine Bohrspitze, die sich sehr gut zentrieren lässt.


Kunstbohrer sind ebenfalls für Bohrungen in Holz und Holzwerkstoffe geeignet. Sie ähneln rein optisch den Forstnerbohrern, allerdings mit dem Unterschied, dass sie über wesentlich kleinere Vorschneiden verfügen. Somit hat der Kunstbohrer bessere Spanungseigenschaften, kann jedoch weniger gut geführt werden. Er ist daher besser für den stationären Einsatz geeignet, wohingegen der Forstnerbohrer, der sehr präzise Lochwandungen liefert, auch in einer Handbohrmaschine gut genutzt werden kann.





Steinbohrer
Betonbohrer

4.3 Stein- und Betonbohrer

Ziegel, Kalksandstein, Beton und weitere Stein-Werkstoffe werden genau genommen mehr pulverisiert als gebohrt. Daher verlangen solche Werkstoffe auch Bohrer, die speziell für diese Bedingungen ausgelegt sind.


Die Lösung sind Bohrer, an deren Spitze Hartmetallplättchen angebracht sind. Es gibt allgemeine Steinbohrer und die speziellen Betonbohrer. Die besondere Härte dieses Hartmetalls sorgt dafür, dass es Stein und andere Mineralstoffe problemlos schneidet.







Schweißpunktbohrer

4.4 Schweißpunktbohrer

Schweißpunktbohrer sind immer dann sinnvoll, wenn eine große Anzahl an Schweißpunkten entstehen oder dünnwandige Werkstücke ausgebohrt werden sollen.


Diese Bohrerart verfügt über drei Schneiden und ist optisch als auch anwendungstechnisch eine Mischung aus Bohrer und Fräser. Dabei wirken die Schneiden des Schweißpunktbohrers ähnlich wie beim Spiralbohrer, reduzieren allerdings deutlich das Auftreten von Rattermarken. Zusätzlich kommt hinzu, dass Schweißpunktbohrer über einen kleinen Spitzenwinkel und eine kleine Spitze verfügen und daher direkt auf dem Werkstück ansetzen.






Fliesenbohrer

4.5 Fliesenbohrer

Das Bohren von Fliesen gestaltet sich oft sehr schwierig. Der Einsatz des richtigen Bohrer-Modells spielt daher eine besonders große Rolle. Im Folgenden werden die Besonderheiten der Fliesenbohrer genauer erläutert.


Mit den Experten für Fliesen, Porzellan, Keramik und Glas können problemlos rissfreie Bohrlöcher in die empfindlichen Werkstoffe gebohrt werden. Dank geschliffener Zentrierspitze ist das Anbohren von Fliesenglasur und Co. einfach zu bewerkstelligen. Je nach Härte des Werkstoffs sind sie in unterschiedlichen Materialien zu haben.






Stufenbohrer
Schälbohrer

4.6 Stufenbohrer und Schälbohrer

Sollen Bohrlöcher vergrößert werden, können Spiralbohrer in Blechen nicht nur optisch Schaden anrichten. Steckt der Bohrer im Werkstück fest und muss umständlich wieder entfernt werden, bleibt eher selten ein sauberes Loch zurück. Um dies zu vermeiden, kann ein untergelegtes Stück Holz oder Baustahl für die nötige Führung beim Bohrvorgang sorgen.


Ist eine solche Maßnahme z. B. aus Platzgründen nicht möglich, sollten Stufenbohrer eingesetzt werden. Als Garant für saubere Bohrungen, rechnet sich auch die Anschaffung. Stufenbohrer sind in unterschiedlichen Größen erhältlich.


Neben den Stufenbohrern können für die Fertigung von größeren Bohrlöchern auch Schälbohrer eingesetzt werden. Sie haben den Vorteil, dass sie stufenlos selbst in dünnste Werkstücke saubere Löcher bohren können.